Teil 1
Triple H genießt bei den Smart Marks einen zweifelhaften Ruf: Er „begräbt“ Talente, stellt sich unabhängig von seiner aktuellen Gesinnung oder Storyline immer über seine Kontrahenten und bringt in erster Linie sich selbst over. Grund für diese Unterstellungen ist die sogenannte „Reign of Terror“, die von 2002 bis 2005 andauerte.
Nachdem Brock Lesnar beim SummerSlam 2002 The Rock besiegen und sich zum jüngsten WWE Champion der Geschichte krönen konnte, entschied sich „The Beast“ dazu, sein Gold nur noch bei SmackDown! zu verteidigen. Der zu dieser Zeit bereits aktive Brand Split machte dies ohne Probleme möglich. Nun stand allerdings die vermeintliche A-Show Monday Night RAW ganz ohne World Title da, was General Manager Eric Bischoff natürlich nicht akzeptieren konnte. Er reaktivierte am 02. September die ehrwürdige, ehemals in der WCW ausgekämpfte „World Heavyweight Championship“ – und ließ sie zur Verwunderung vieler nicht in einem Turnier oder einem anderen Wettbewerb auskämpfen, sondern übergab sie einfach direkt Triple H, zu der Zeit Top-Heel bei RAW. Immerhin musste er sie am selben Abend noch gegen Ric Flair verteidigen, was einen schönen Bogen zur WCW-Historie des Titels schlug. HHH verteidigte das Gold standesgemäß.
Der erste Herausforderer auf großer Bühne war Rob Van Dam – eine der wenigen Personen, die von dem vermurksten „Invasion“-Angle profitieren konnten. Mit seinem riskanten Over-the-Top-Stil eroberte „The Whole F’N Show“ die Herzen der Fans und wurde zu einem der Top-Faces von RAW. Van Dam setzte sich in einem No. 1 Contendership Match durch, verlor wenige Wochen darauf jedoch die WWE Intercontinental Championship durch einen Eingriff von Hunter – ein Muster, das uns während der Beleuchtung der "Reign of Terror" noch oft begegnen wird. In einem umkämpften World Heavyweight Championship Match bei Unforgiven setzte sich Triple H letztendlich durch einen überraschenden Turn von Ric Flair gegen das wohl größte Face von Monday Night RAW durch – eine Freundschaft war geboren.
Rob Van Dam bekam zwar beim No Mercy PPV wenige Wochen später seine Rache gegen Ric Flair, indem er den „Nature Boy“ in weniger als zehn Minuten besiegen konnte. Ansprüche auf ein neuerliches Titelmatch gegen Triple H erhielt der einstige ECW World Champion allerdings nicht – warum auch immer. Und sind wir mal ganz ehrlich: Ein Sieg über Ric Flair im Jahr 2002 war auch nicht mehr besonders viel wert. Stattdessen bekriegte sich Hunter mit Kane, zu diesem Zeitpunkt World Tag Team Champion und noch mit der altbekannten Maske unterwegs. Im Vorfeld verkündete General Manager Eric Bischoff, dass beim No Mercy PPV der World Heavyweight Champion und der Intercontinental Champion in einem Match der Titelvereinigung aufeinandertreffen werden. Zum Zeitpunkt der Ankündigung waren dies Triple H und Chris Jericho, allerdings konnte der angesprochene Kane Y2J bei RAW besiegen und das Midcard-Gold an sich reißen. Somit stand das Match zwischen „The Game“ und „The Big Red Machine“ fest. Die Woche darauf verteidigte Kane im Alleingang die World Tag Team Championship, da zuvor sein Partner The Hurricane Backstage von Triple H und Ric Flair attackiert wurde. Der Plan des neuen Heel-Gespans ging aber wie erwähnt nicht auf, woraufhin Hunter tief, tief in die Vergangenheit des Monsters graben musste, um ihn aus seiner glücklichen Stimmung zu holen. Ja, ich rede von der Katie Vick Affäre.
Um dieses unrühmliche Kapitel kurz zu machen: Triple H beschuldigte Kane des Mordes an einer gewissen „Katie Vick“, die er von einer Party nach Hause fahren wollte. Dabei fabrizierte der laut Triple H alkoholisierte Kane einen Verkehrsunfall, der zum Ableben der bis vor einer Woche noch völlig unbekannten Frau führte. Aber den großen Hammer (hust) packte HHH erst nach seinen Ausführungen aus: Auf der Leiche von Katie Vick wurden Samenspuren des großen roten Monsters gefunden! Da liegt die Vermutung natürlich nahe, dass Kane nicht nur ein recht sozialisiertes, halb verbranntes Monstrum ist, das gerne auf Parties verkehrt, sondern auch eine nekrophile Ader besitzt! Es folgte eines der abartigsten WWE Segmente aller Zeiten, als sich ein als Kane verkleideter Triple H (nur bekleidet mit einer Maske und einem fleischfarbenen Slip) an einer (falschen) Leiche verging, die Katie Vick darstellen sollte. Es wird gar gemunkelt, dass während der Aufzeichnung dieses Segments Vince und Stephanie McMahon hinter der Kamera gestanden und explizite Anweisungen an Hunter gegeben haben sollen. Ich verkneife mir jeden weiteren Kommentar.
Nach einem unlustigen Marionetten-Segment, in welchem Triple H Kane und Katie Vick weiter veräppelte, trafen die beiden Hünen letztendlich bei Unforgiven aufeinander und ließen Gott sei Dank wieder das Geschehen im Ring für sich sprechen. Man mag meinen, dass sich Kane für all die abartigen Anschuldigungen rächen würde, jedoch setzte sich auch in diesem Aufeinandertreffen der Heel-Champion nach einem großen Durcheinander mit Eingriffen von Ric Flair, The Hurricane und einem ausgeknockten Earl Hebner (auch ein Markenzeichen der Reign of Terror) durch. Triple H war somit nicht nur World Heavyweight und Intercontinental Champion, sondern auch der einzige Singles Champion von Monday Night RAW. Der Hardcore sowie der European Title wurden bereits in den Ruhestand geschickt bzw. in die IC Championship überführt.
Beim kommenden Survivor Series PPV debütierte das Elimination Chamber Match, das von Eric Bischoff stolz als Mischung aus „Hell in a Cell“, „Royal Rumble“ und „War Games“ Match bezeichnet wurde. Das Teilnehmerfeld bestand aus Champion Triple H, der sein Gold in dieser Konstruktion aufs Spiel setzen musste, Shawn Michaels, Kane, Rob Van Dam, Chris Jericho und Booker T. Es mag zwar nicht das beste Elimination Chamber Match in der Geschichte der WWE gewesen sein, allerdings mit Sicherheit das stimmigste. Man befand sich im Madison Square Garden vor einer euphorisierten Crowd, hatte eine tolle Spannungskurve im Match, viele verrückte Spots und mit Shawn Michaels einen überraschenden Sieger nach einem spannenden Finale. Chris Jericho führt in einem seiner Bücher aus, das vieles im ersten Chamber Match der Geschichte völlig verbotcht wurde und nicht funktionierte. Unter anderem deshalb entwickelte sich bei Kane eine große Wut, die darin gipfelte, dass er Y2J durch die Plexiglaswand einer Kammer schleuderte. Auch der gebotchte Five Star Frog Splash von Rob Van Dam bleibt in Erinnerung: Er sprang vom Dach einer Kammer auf Triple H herunter, traf mit seinem Knie aber Hunters Kehlkopf, woraufhin sein Hals über das Match hinweg immer weiter anschwoll. Erst nach dem Ringgong und im Konfettiregen signalisierte Earl Hebner mit dem „X“-Zeichen, dass eine Verletzung vorlag. Triple H jedoch biss sich auf die Zähne und workte das Match zu Ende. Auch das zeichnet eben einen HHH aus.
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