Die Monday Nitro Ausgabe vom 04. Januar 1999 stellt einen Wendepunkt in den erbitterten Monday Night Wars zwischen der WWF und der WCW dar. Nachdem die WCW mit Erschaffen der „New World Order“ das Momentum auf seiner Seite hatte und WWF Monday Night RAW insgesamt 84 Wochen in Folge in den TV-Ratings schlagen konnte, raufte sich das McMahon Imperium mit steigender Popularität der „Attitude Era“ wieder auf – und konnte das Blatt letztendlich im November 1998 in Sachen Zuschauerzahlen wenden. Die Company um Medienmogul Ted Turner und Headbooker Eric Bischoff stand unter Zugzwang und versuchte mit einem wahren Schocker im Main Event wieder für Aufmerksamkeit zu sorgen.
Vorweg: In diesem Beitrag wird die historische Bedeutsamkeit dieser Monday Nitro Ausgabe beleuchtet, aber nicht bewertet. Während man über den „Mankind Incident“ halten kann was man will (später mehr dazu), ist der „Fingerpoke of Doom“ per se kein guter oder schlechter Angle – sondern objektiv betrachtet einfach ein kontroverser. Ihn pauschal als Anfang vom Ende der WCW herbeizuziehen, ist gewiss zu simpel und eindimensional gedacht.
Nitro fand an diesem Tag in Atlanta, Georgia vor einem ausverkauften Publikum statt. Nachdem wenige Tage zuvor bei Starrcade 1998 die Streak von Hometown-Hero Goldberg durch einen Elektroschocker endete und Kevin Nash neuer WCW World heavyweight Champion wurde, wurde diese Ausgabe von Monday Nitro mit einem Re-Match um das große Gold zwischen „Big Sexy“ und Goldberg im Main Event beworben. Ebenso kam es zum großen Comeback von Hulk Hogan. Dieser feierte seinen ersten WCW-Auftritt seit Thanksgiving (26. November) und der Ankündigung, als Präsident der Vereinigten Staaten kandidieren zu wollen. In der Mitte dieser Show kam es allerdings zu einer pikanten Storyline-Entwicklung: Goldberg wurde aufgrund „Stalkings“ gegenüber Miss Elizabeth verhaftet und der Arena verwiesen. Ursprünglich sollte die Kayfabe-Begründung für die Verhaftung noch deutlich harscher ausfallen, „Da Man“ legte allerdings Backstage sein Veto und wollte nicht in eine „Rape“-Storyline verwickelt werden, zumal sein Charakter zu dieser Zeit noch brennend heiß war. Das Titelmatch gegen Kevin Nash lag damit aber flach und der zurückkehrende Hulk Hogan erhielt stattdessen diesen Spot.
Die einstig so große und mächtige „New World Order“ splittete sich über die Zeit in mehrere Gruppierungen, um die ganze Sache interessant und spannend zu halten. Die beiden wichtigsten Gruppen waren zweifelsohne die „nWo Hollywood“ Heel-Fraktion mit „Hollywood“ Hulk Hogan als Anführer und – als Face-Gegenpart – die „nWo Wolfpac“ Fraktion mit Kevin Nash an vorderster Front. Er und Hogan lieferten sich über die Zeit so etwas wie eine „persönliche“ Fehde gegeneinander – und da passte Goldbergs Verhaftung ganz gut, denn dafür hat nun das einstige Gesicht von Hulkamania die Chance auf das große Titelgold. Soweit, so typisch. Wenngleich natürlich hinterfragt werden sollte, warum man DAS Top-Babyface in der eigenen Heimatstadt mit solch einer fragwürdigen Aktion aus der Show schreibt und den vielen Goldberg-Fans nicht einmal das Re-Match um die WCW World Heavyweight Championship anbietet.
Unmittelbar nach dem großen Hogan Comeback, in welchem er eines seiner unzähligen, dieses Mal wirklichen finalen „Retirement Matches“ ankündigte, sorgte Kommentator Tony Schiavone auf Anweisung von Eric Bischoff für den ersten geschichtsträchtigen Eklat am Abend: Dem „Mankind Incident“. Monday Night RAW, während dieser Zeit umbenannt in „RAW is WAR“, lief an diesem Abend aufgezeichnet, hatte demnach keinen Overrun (mehr Sendezeit als die fest programmierte Dauer) – etwas, was die WCW immer häufiger einsetzte, um Zuschauer nach dem Ende von RAW noch abgreifen zu können (teils ganze Main Events spielten sich in der überlängerten Sendezeit ab; etwas, gegen das auch Jerry Lawler in der WWF shootete). Somit griff Eric Bischoff auf eines seiner altbekannten Mittel zurück: Das Spoilern von WWF Ergebnissen im Live Programm der WCW.
„Fans, if you’re even thinking about changing the channel to our competition, fans, do not. We understand that Mick Foley, who wrestled here one time as Cactus Jack, is going to win their world title. Ha! That’s gonna put some butts in the seats, heh.“ – Tony Schiavone, WCW Mondy Nitro 04.01.1999
Dieser Satz sorgte dafür, dass rund 600.000 Zuschauer sofort zur Konkurrenz schalteten und auch nicht mehr in das WCW-Programm zurück zappten. Im Main Event von der besagten, aufgezeichneten „RAW is WAR“ Ausgabe, das auch erst während der Show angekündigt wurde, konnte Mankind mithilfe von Steve Austin The Rock besiegen und neuer WWF Champion werden. Trotzdessen, dass die WWF dieses Ergebnis bereits im Vorfeld auf der eigenen Homepage spoilerte und trotzdessen, dass RAW nicht live und somit automatisch nur halb so aufregend war, verlor Monday Nitro einen beträchtlichen Anteil der Zuschauerschaft. An diesem Abend siegte „RAW is WAR“ mit 5.7 zu 5.0 Rating Punkten. Ein Zustand, an den sich die WCW gewöhnen musste, denn die WWF konnte fortan nicht mehr hinsichtlich der Einschaltquoten geschlagen werden.
Das Main Event Match zwischen WCW World Heavyweight Champion Kevin Nash und „Hollywood“ Hulk Hogan begann dann mit starren Blicken zwischen den beiden Akteuren. Sie umkreisten sich etwas, Hogan streckte seinen Finger Richtung Nash, berührte seine Brust minimalst, „Big Sexy“ flog dramatisch zu Boden- und ließ sich schließlich anstandslos zum Titelwechsel pinnen. Der legendäre „Fingerpoke of Doom“ ist entstanden. Dieser Angle fusionierte die beiden eigentlich verfeindeten nWo-Fraktionen wieder zu einer großen Heel-Gruppierungen zusammen und sie besprühten gemeinsam in alter Manier das Titelgold mit ihrer schwarzen Spraydose. Ein Schocker? Gewiss. Prinzipiell kränkelte dieser ganze Angle im Gesamtkontext an drei essentiellen Punkten:
- Das WCW Creative Team, damals mit Kevin Nash als Headbooker (der laut eigenen Aussagen eigentlich erst im Februar 1999 die Feder schwingen durfte / musste), drückte in Sachen nWo den Reset-Knopf und katapultierte das Stable auf einen Stand zurück, den keiner mehr sehen wollte. Alle Abspaltungen, alle Fehden, alle Matches – nichtig! Die Zuschauer hatten nicht unbedingt kein Interesse mehr an der New World Ordern, sie verlangten aber eine kreative Weiterentwicklung dieser Gruppierung. Und sämtliche Ansätze dazu wurden am 04. Januar 1999 in Luft aufgelöst.
- Das gesamte Ende von Goldbergs legendärer Streak wirkt, berechnet man diese Ausgabe mit ein, unheimlich ziel- und planlos. Über Kevin Nash als Brecher der Siegessträhne von Goldberg darf gestritten werden. Nichtsdestotrotz hätte die WCW mit dem Ende des Laufs eine neue Geschichte um Goldberg stricken können, um ihn die Fesseln der Streak entledigen und als „echten“ Main Event Guy etablieren zu können. Wie so oft drehte sich allerdings in erster Linie alles um das alternde, hochbezahlte und mit kreativer Kontrolle und Macht ausgestattete „Altpersonal“. Viel bedeutender für die Niederlage der WCW in den Monday Night Wars ist die kreative Ideenlosigkeit. Während die WWF mit neuen, frischen und frei aufspielenden Gesichtern das zumeist männliche Publikum begeistern konnte, verstricke sich die Company aus Atlanta in ihren undurchsichtig aufgebauten, teils fehlenden Strukturen.
- Zusätzlich dazu stampfte die WCW ein wiederholtes Mal in ein Fettnäpfchen: Das Nichteinhalten von Versprechungen. Beworben wurde diese Ausgabe von WCW Monday Nitro klipp und klar mit Goldberg vs. Kevin Nash. Dass die Zuschauer von Goldbergs Heimat dann aber lediglich ihren Helden in Handschellen und nach dem Main Event dann abgefertigt von der „neuen“ nWo sehen durften, war ein klarer Schlag ins Gesicht der zahlenden Kund- und interessierten Zuschauerschaft vor den Fernsehgeräten.
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